Rede zum Haushalt 2023

Rede zum Haushalt der Stadt Salzkotten für das Jahr 2023, gehalten vom Fraktionsvorsitzenden
Marc Svensson von Bündnis 90 / Die Grünen in der Sitzung des Stadtrates am 15.12.2022.

– es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitarbeitende der Verwaltung, sehr geehrte Ratsmitglieder, Gäste und Vertreter der Presse,

der Haushalt ist das meist jährliche Planungswerk für alle voraussichtlichen Aufwände und Erträge sowie Aus- und Einzahlungen. Das ist die technische Definition. Das wichtigste Wort in diesem Satz ist „voraussichtlich“. Die Haushaltsplanaufstellung unterliegt zwar strengen Regeln, bleibt aber am Ende ein Blick in die Glaskugel.

Alles deutet darauf hin, dass sich die Haushaltslage in diesem und im folgenden Jahr deutlich besser darstellt als vorausgesagt. Das liegt zum einen an den erneut hervorragenden Gewerbesteuereinnahmen und zum anderen an den Millionenbeträgen, die nicht wie geplant abfließen und von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr geschleppt werden. In 2022 wird es höchstwahrscheinlich kein Jahresdefizit geben und selbst für 2023 ist es in der prognostizierten Höhe, trotz der multiplen Krisen, schon jetzt unwahrscheinlich.

Von den Projekten für das Jahr 2022, die uns Bürgermeister Berger angekündigt hat, wurden viele nicht umgesetzt. Ein paar Beispiele: Das Mobiltätskonzept ist nicht fertig, demzufolge wurden auch keine Maßnahmen daraus umgesetzt, kein Brückenbau im Franz-Kleine-Park – erst im nächsten Jahr. Mehrere Photovoltaikanlagen konnten nicht wie geplant errichtet werden – was einerseits an der allgemeinen Marktlage und gestörten Lieferketten liegt, andererseits waren die Veranschlagungen für PV-Anlagen auf dem Feuerwehrgerätehaus in Verlar und dem Bauhof von Anfang an unrealistisch, ebenso wie die Erschließung des Osterfeldes in diesem Jahr – auch so kann man sich arm rechnen.

Aber wie arm sind wir eigentlich? Salzkotten ist eine von 105 Kommunen in ganz NRW, die abundant ist. Ich habe das Wort für uns gegoogelt: Es bedeutet reich. Wer reich ist bekommt keine Schlüsselzuweisungen vom Land NRW – so wie wir. Der Hebesatz der Grundsteuer B bleibt inzwischen 50 Punkte hinter den fiktiven Hebesätzen des Landes zurück – wir verzichten dadurch auf Einnahmen von rund 400.000€. Das können wir uns leisten. Die Mehrbelastungen für unsere Bürger:innen wären allerdings minimal und stünden in keinem Verhältnis zu den großen Entlastungspaketen des Bundes, welche sich in unserem Haushalt durch millionenhohe Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer niederschlagen.

Man kann die Zahlen in unserem Haushalt sicher unterschiedlich interpretieren, aber wenn Jahr für Jahr der finanzielle Untergang an die Wand gemalt wird, sich die tatsächliche Lage aber durchweg besser darstellt, erzeugt das ein falsches Bild. Das Letzte was wir brauchen, ist ein Angsthaushalt.

Wir als GRÜNE sind optimistisch in die diesjährigen Haushaltsberatungen gegangen. Unsere Forderungen waren bescheiden und allesamt gegenfinanziert. Unsere Hauptforderung bestand darin, die Grundsteuer-B moderat anzuheben und die Mehreinnahmen zu 100% in unser kommunales Förderprogramm für den Klimaschutz zu stecken. Damit wäre jeder Euro an die Bürger:innen zurückgeflossen. Man muss dazu sagen, dass unser noch junges Förderprogramm hervorragend angenommen wird. Schon im November waren die Mittel erschöpft. Damit ist absehbar, dass der Fördertopf von 250.000€ im kommenden Jahr nicht ausreicht. Während der Beratungen ging wieder die Angst von sogenannten Mitnahmeeffekten um. Auch wenn sich PV-Anlagen inzwischen schnell rechnen, bleiben die Anfangsinvestitionen für viele Menschen eine Hürde. Unser Förderprogramm sorgt also auch für ein Stück mehr Teilhabe. Dass wir die Förderhöhe immer wieder überprüfen und anpassen müssen, ist für uns selbstverständlich. Eine Mehrheit für unseren Antrag gab es trotzdem nicht.

Wir hatten außerdem 300.000€ zusätzlich für die Projektierung und Beschaffung von Luft-Wärmepumpen in den städtischen Turnhallen gefordert, um hier möglichst schnell von den enormen Energiekosten herunterzukommen. Schließlich rechnet die Verwaltung mit einer Verdopplung der Energiekosten für städtische Gebäude auf 1,6 Millionen € im kommenden Jahr – hier ist also dringender Handlungsbedarf. Nach kurzer Diskussion war klar, dass sich die Verwaltung aufgrund zu geringer personeller Ressourcen nicht in der Lage sieht im kommenden Jahr tätig zu werden.

So weit, so schade

Wie in den letzten Jahren haben wir eine zusätzliche Stelle für die Schulsozialarbeit an unseren städtischen Grundschulen gefordert. Dass Corona bei vielen Schülerinnen und Schülern deutliche Spuren hinterlassen hat, dass zahlreiche Geflüchtete aus der Ukraine an unseren Schulen aufgenommen wurden, dass im kommenden Jahr 3 zusätzliche Eingangsklassen an unseren Grundschulen gebildet werden und dass verglichen mit der GESA 20 Sozialarbeiter:inenstunden pro Woche -bei vergleichbarer Schülerzahl- weniger zur Verfügung stehen, haben als Argumente nicht gereicht. Dass die städtischen Fachkräfte in ihrem Jahresbericht die Notwendigkeit betonen, ausreichend Zeit für die Kinder zu haben, um Vertrauen aufzubauen und um Kindern die Möglichkeit zu geben, positive Erlebnisse zu schildern, konnte ebenfalls nicht überzeugen. Unser Antrag wurde erneut abgelehnt.
Ein Schulsozialindex von 1 oder 2 ist keine Schulnote für die hervorragende Qualität unseres pädagogischen Personals oder der Schülerinnen und Schüler, sondern ein Verteilschlüssel für Personal. Auch bei einer Eins hat man einen Bedarf.

Ganz anders verlief die Diskussion bei einer zusätzlichen halben Stelle für das Innenstadtmanagement. Den Leerstand an der Langen Straße kennen wir alle zu Genüge. Laut den Ausführungen der Verwaltung brennt bei dem Thema die Hütte; man müsse jetzt schnell aktiv werden.
Wir hatten ursprünglich gefordert, dass dieser Stellenzuwachs mit einem Sperrvermerk versehen wird. Denn was soll beim Thema Leerstand eigentlich gemanaged werden? Ist unser Einzelhandelskonzept aus dem Jahr 2010 noch zeitgemäß? Ist unsere „Sälzer Liste“ noch zeitgemäß oder schadet diese inzwischen mehr als sie nützt? Wie sinnvoll ist es, von den Ärztehäusern An der Burg in die Kernstadt zur nächsten Apotheke fahren müssen, weil vor Ort keine erlaubt ist? Sind das diese Frequenzbringer oder wird da einfach nur noch mehr Verkehr auf unseren vollen Straßen produziert? Fragen über Fragen.

Das Gute an einem professionellen Innenstadtmanagement ist, dass dann kein Weg am Thema Aufenthaltsqualität vorbeiführt. Mal sehen, vielleicht findet unser Antrag zur Beschaffung eigener Stadtmöbel ja im nächsten Jahr eine Mehrheit. Die mehrfach ausgeliehenen Stadtmöbel kamen bereits gut an. Mit eigenen Möbeln wären wir das ganze Jahr, einschließlich bei Stadt- und Dorffesten gut und flexibel aufgestellt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie alle hier wünschen wir uns eine belebte Innenstadt, in der sich mehr echte Menschen als Avatare – die sogenannten Alltagsmenschen- aufhalten. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass Fußgänger:innen und Radfahrer:innen endlich ernst genommen werden, denn das sind die gleichen Leute, die sich in unserer Innenstadt aufhalten und wohlfühlen sollen. Wenn ich sehe, dass diese bei Baumaßnahmen einmal um den Block oder kreuz und quer über die Straße, geschickt werden, braucht man sich am Ende des Tages über noch mehr Leerstand nicht zu wundern. Hier sind komfortablere und sichere Lösungen notwendig, aber auch ohne weiteres möglich. Das, was wir dort zulassen, vergrault die Menschen.

Als es in den Haushaltsberatungen um die Investition für einen neuen Parkplatz für 135.000€ An der Burg ging wurde klar, dass eine Mehrheit im Rat noch immer an unserer fossilen Vergangenheit festhalten möchte. Steuergeld für kostenfreies Autoparken läuft sämtlichen Klimaschutz- und Mobilitätswendebemühungen entgegen. Unser Kompromissvorschlag, bei den Anwohner:innen das Interesse an einem nutzerfinanzierten Parkplatz abzufragen, fand keine Mehrheit.

Abenteuerlich war der Hinweis der Union, dass man das machen müsse, weil demnächst noch weniger Busse fahren würden. Die gleiche Partei hat einer Reduzierung unseres ÖPNV-Angebotes ab 2024 zugestimmt. Von Bevormundung der Autofahrer:innen war ebenfalls die Rede. Das Gegenteil ist der Fall: All diejenigen, die kein Auto fahren wollen oder können, werden hier bevormundet und sogar gefährdet, denn einen Gehweg gibt es dort noch nicht.

Ich möchte noch etwas zur allgemeinen Personalsituation sagen

Die allseits angespannte bis kritische Personalsituation innerhalb der Verwaltung – besonders im Fachbereich Soziales – ist regelmäßig Thema im Hauptausschuss und zog sich wie ein roter Faden durch die Haushaltsberatungen. Hauptgrund ist sicherlich der allgemeine Fachkräftemangel, aber auch die Zögerlichkeit mit der Stellenbesetzungsverfahren vorangetrieben werden. Auch dies wird mit Personalnot begründet, obwohl klar ist, dass sich hier die Katze selbst in den Schwanz beißt. Unsere Forderung, einen externen Dienstleister einzuschalten wurde abgelehnt. Die Verwaltung glaubt, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen zu können. Wir können an dieser Stelle nur hoffen, dass dieses Experiment gelingt.

Herr Berger, wir erwarten von Ihnen, dass Sie hier Ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und alles dafür tun, dass Ihre Mitarbeitenden gesund bleiben. Die Feststellung, dass es in den Nachbarkommunen ähnlich schlecht aussieht, reicht nicht. Sie müssen aktiv werden.

Zum Schluss komme ich nochmal zum Thema Klimaschutz zurück. Mehr noch als die verbesserten politischen Rahmenbedingungen durch die neue Bundesregierung, haben explodierende Energiepreise dazu geführt, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien bei Stadt und Stadtwerken Fahrt aufgenommen hat. Der ökonomische Druck ist inzwischen so groß, dass sich etwas bewegt. Dass Klimaschutz bis zur jetzigen Energiekrise höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt hat, zeigt sich auch daran, dass die Absorberanlage des Freibades, welche mit Hilfe der Sonne das Schwimmwasser aufwärmen soll, 8 Jahre defekt sich selbst überlassen wurde und erst im kommenden Jahr erneuert werden soll. Das ist ein Skandal und ich frage mich, ob ein Tornado, der durch das Herz Salzkottens fegt daran etwas ändern würde.

Ich hoffe, dass uns ein derart bitterer Moment der Erkenntnis erspart bleibt. Das Zeitfenster, um im Klimaschutz voranzukommen, schließt sich.

Dem Haushalt für das 2023 können wir nicht zustimmen.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bürgermeister, der Verwaltung und den Fraktionen der demokratischen Parteien im Stadtrat für die gute Zusammenarbeit bedanken. Besonders möchte ich hier die Reform unseres Familienpasses und das Klimaschutz-Förderprogramm hervorheben.

Im Namen der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wünsche ich Ihren Familien und Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein friedliches Jahr 2023.

Bleiben Sie gesund und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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