Haushaltsrede 2024 16. December 202318. September 2024 Rede zum Haushalt der Stadt Salzkotten für das Jahr 2024, gehalten vom Fraktionsvorsitzenden Marc Svensson von Bündnis 90 / Die Grünen in der Sitzung des Stadtrates am 14.12.2023. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitarbeitende der Verwaltung, sehr geehrte Ratsmitglieder, Gäste und Vertreter der Presse, die Haushaltsberatungen im Hauptausschuss verliefen in diesem Jahr insgesamt erfreulich unaufgeregt, boten aber einige Überraschungen – positiv wie negativ. Ob wir dem Haushaltsentwurf und dem Stellenplan zustimmen können, stand in unserer Fraktion lange auf der Kippe. Wenn wir auf das Haushaltsjahr 2022 zurückblicken, hat sich erneut gezeigt, dass auf das „Sälzer Wunder“ Verlass ist. Aus einem prognostizierten Defizit von -2,0 Millionen sind 5,6 Millionen Euro Jahresüberschuss geworden. Die Ausgleichsrücklage erreichte mit einer Höhe von 21,2 Millionen Euro erneut eine Rekordmarke. Für den Abschluss des noch laufenden Haushaltsjahres bleibt die schwarze Null in Sichtweite, was beim Erreichen ebenfalls eine Verbesserung von rund 4 Millionen Euro bedeuten würde. Warum ist das so? Im Investitionsbereich fließt das Geld erneut nicht wie geplant ab, weil sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verwaltung der Fachkräftemangel gnadenlos zuschlägt und Prozesse einfach deutlich länger brauchen als ursprünglich mal angenommen. Nicht besetzte Stellen im Stellenplan führen ebenfalls zu geringeren Ausgaben – doch dazu später mehr. Eine der größten Hürden für unsere Zustimmung zum Haushalts- und Stellenplan wurde gleich zu Beginn der Beratungen im Hauptausschuss beiseite geräumt: Fast wie von uns gefordert, hat die Verwaltung den Stellenplan für Sozialarbeit an unseren städtischen Grundschulen und im Jube aufgestockt. Das ist schon deshalb dringend erforderlich, weil im jetzigen Schuljahr 3 Eingangsklassen mehr als im Vorjahr gegründet wurden. Außerdem rechnet die Verwaltung mit der Bildung von 6 zusätzlichen Gruppen in der offenen Ganztagsbetreuung. Verglichen mit unseren Nachbarkommunen fällt unser Angebot an Schulsozialarbeit an Grundschulen noch immer bescheiden aus. Aber es ist gut, dass sich etwas bewegt. Wir wissen aber, dass Stellen im Stellenplan heutzutage bestenfalls als Absichtserklärung verstanden werden können. Wenn wir auf die Kindertageseinrichtungen in Salzkotten und unserem Land schauen, sieht man, dass diese trägerübergreifend vor personellen und finanziellen Kipppunkten stehen. Unser Ministerpräsident bezeichnet es als Erfolg, dass die Mittel im Kita-Bereich, trotz angespannter Haushaltslage, nicht gekürzt werden. Diese Aussage ist so deprimierend, dass man in diesem Zusammenhang nicht mehr Worte über den Stellenwert von Kindern und Bildung in unserem Land verlieren muss. Praktisch bedeutet das, dass Tarifabschlüsse mangels Geldes nicht umgesetzt werden können und die Einrichtungen Gefahr laufen von einem Notbetrieb in den nächsten zu taumeln oder ganz schließen zu müssen. Der sogenannte Kita-Kollaps ist sicher keine Übertreibung oder Zuspitzung. Da nützen keine gut gemeinten Gespräche, sondern Geld – und ja, meinetwegen auch kreditfinanziert. Hier geht es ums Eingemachte! Vor diesem Hintergrund kann ich Politiker:innen -egal welcher Partei, die laut von der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreung in unseren Schulen ab 2026 träumen, nicht ernst nehmen. In der jetzigen Mangellage kann es in den nächsten Jahren nur um Schadensbegrenzung und Konsolidierung gehen, bevor irgendetwas wieder besser werden kann. Produkt 030110 (Schulträgeraufgaben) Dort findet sich ein Ansatz von 1,2 Mio.€ für die Sanierung und Aufstockung des Liebfrauengymnasiums in Büren. Das Projekt hat es auf den allerletzten Drücker in den Haushalt für das kommende Jahr geschafft. Daran ist im Grunde alles abenteuerlich: Besitzverhältnisse, welche die Akquise von Fördermitteln vielleicht unmöglich machen. Ein privater Träger, der sich viel zu spät mit dem Kreis und den Kommunen in Verbindung setzt, um die benötigten Mittel einzuwerben. Obendrein wird mit Rückzug gedroht, falls bei der Finanzierung nicht mitgespielt wird. Durch dieses Faktenschaffen wird eine Kostenbeteiligung der Stadt schnell alternativlos. Die Zeit, um über nachhaltige Lösungen, wie einem Trägerwechel oder eine Neugründung angemessen nachzudenken, bleibt nicht. Mal abgesehen von einer Info-Veranstaltung im Sommer, wurden wir als Politik erst in der letzten Hauptausschusssitzung mit den möglichen finanziellen Auswirkungen auf unsere Stadt bekannt gemacht. Zahlen zirkulierten zwar vorher reichlich, aber alles nicht wirklich belastbar. Das Thema wird uns noch lange beschäftigen. Wir sollten bei dem ganzen Wirbel um das LFG nicht vergessen, dass man an unserer Gesamtschule das gleiche Abitur machen kann. Deshalb gilt es die GESA weiter stark zu machen, auch um derartige Abhängigkeiten aufzulösen. Hurra! Wir haben jetzt ein Mobilitätskonzept! Jahrelang wurden Vorschläge zur Verbesserung der Rad- und Fußwegeinfrastruktur beiseite geschoben. Begründung: Wir müssen erst die Ergebnisse des Mobilitätskonzepts abwarten. Jetzt ist es da, aber wie in den Vorjahren sind mit dem Haushaltsansatz mit dem Namen „Maßnahmen aus dem Integrierten Mobilitätskonzept“ keine echten Maßnahmen verknüpft – was schade ist. Jetzt liegt der Ball wieder im Feld der Politik. Im kommenden Frühjahr werden sie unsere Vorschläge für Maßnahmen hören. Da man im Bereich Infrastruktur mit 50.000€ pro Jahr nicht weit kommt, hatten wir beantragt den Ansatz auf 100.000€ anzuheben, was leider abgelehnt wurde. Bei dem neuen PKW-Parkplatz an der Burg war man da weniger zimperlich. Hoffen wir mal, dass wir in Punkto Mobilitätstation am Bahnhof im kommenden Jahr Fortschritte machen. Der Förderbescheid für den Abschnitt „Fahrradparkhaus“ soll ja vorliegen. Wichtig ist, dass es Schritt für Schritt weitergeht, auch wenn die Schritte aufgrund der dünnen Personaldecke klein sind und klein bleiben werden. Je sicherer und komfortabler das Radfahren und Laufen in unserer Stadt ist, desto mehr Menschen entscheiden sich dafür – das sagt auch unserer Mobilitätskonzept. Wenn sich mehr Menschen mit dem Rad und zu Fuß fortbewegen, profitieren alle. Jeder kann sich besser bewegen, mit weniger Platz, öffentlichen Kosten, Unfällen und Emissionen. Andersherum ist keine Fahrradklingel laut genug, kein Helm hart genug und keine Kleidung so hell, dass sie schlechte Infrastruktur ausgleicht! Nächstes Thema Unser Antrag zur Beauftragung einer Sportstättenentwicklungsplanung mit dem Schwerpunkt Sporthallen, verbunden mit einem Ansatz von 30.000€ fand leider auch keine Mehrheit. Verwaltungsseitig ist man der Meinung, dass wir das mit dem Nahwärmekonzept für den Bereich und der Schulentwicklungsplanung abdecken. Aus unserer Sicht fehlt dann aber eine belastbare Kapazitätsplanung, die KiTas, OGSen und Vereine mit einschließt. Erfolg hatten wir dagegen mit unserem Antrag, Neuansiedlungen von Einzelhandel und Gastronomie in der Innenstadt im kommenden Jahr mit 20.000€ zu unterstützen. Unser Bürgermeister hat hier die notwendige Überzeugungsarbeit bei seiner eigenen Partei geleistet und das Ausarbeiten einer kleinen Förderrichtlinie für den Anfang des kommenden Jahres zugesagt. Danke dafür! Wir wollten übrigens nicht nur mehr Geld ausgeben, sondern auch sparen. Der geplante Abriss von Haus Hentzen für 142.000€ hat im Haushalt des kommenden Jahres noch nichts zu suchen, auch weil die Folgenutzung des Grundstücks noch unklar ist und wir hier auf mögliche Synergien verzichten. Durch eine Streichung des Ansatzes für einen „Rahmenplan Wallgraben“ ließen sich zwar nur rund 22.000€ in der Stadtkasse einsparen, allerdings halten wir auch die Herangehensweise für falsch: Wallgraben, Innenstadt und Marktplatz sollten als Einheit betrachtet werden, anstelle am Wallgraben isoliert und womöglich getrieben von einer kleinen Gruppe Investoren drauf loszuplanen. So schafft man Fakten auf Kosten der gesamten Innenstadt mit dem Potenzial, den Rest unseres lokalen Einzelhandels in den Abgrund zu reißen. Ich komme jetzt zum Stellenplan und zur allgemeinen Personalsituation Die Älteren werden sich erinnern: Wir hatten im vergangenen Jahr gefordert, einen externen Dienstleister einzuschalten, um unsere Verwaltung bei der Personalgewinnung zu beraten und auch zu entlasten. Damit konnten wir nicht überzeugen. Zwei Jahre zuvor hatte die Partei „Die Linke“ beantragt, perspektivisch die Ausbildungskapazitäten innerhalb der Verwaltung zu erhöhen – Antrag abgelehnt. All das mit dem Wissen, dass Salzkotten von der Gemeindeprüfungsanstalt seit mehr als 10 Jahren im interkommunalen Vergleich eine extrem unterdurchschnittliche Personalausstattung attestiert wird. Auf diese Art von Effizienz und Schlankheit war man lange stolz. Jetzt haben wir auch hier einen Kipppunkt überschritten oder sind kurz davor: 76 Abgänge bei nur 61 Zugängen im laufenden Jahr. An diesen Zahlen kann man ablesen, dass andere öffentliche Arbeitgeber bei der Personalgewinnung erfolgreicher sind als wir und da stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das so? Natürlich bieten größere Kommunen höher bewertete Stellen, aber es zählen auch andere Faktoren. Dass es beispielweise ein bezuschusstes Deutschlandticket oder Jobrad vielerorts gibt, aber nicht in Salzkotten, werden Bewerber:innen nur schwer nachvollziehen können und sich anderswo umschauen. Herr Berger, Sie sollten sich dringend Gedanken darüber machen, wie die Stadt als Arbeitgeberin attraktiver werden kann. Festzustellen, dass es anderswo diesbezüglich auch schlecht läuft, reicht nicht. Ich habe schon einiges zu Kipppunkten gesagt. Darunter versteht man in der Regel etwas Negatives, nämlich irreversible Prozesse, die am Ende in einer Katastrophe münden. Das muss aber nicht so sein. Auch positive Effekte können sich verstärken und zum Selbstläufer werden: Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist das so. Die Ausbauziele für Photovoltaik wurden lange vor dem diesjährigen Stichtag erreicht. Es gibt keinen günstigeren Weg Strom zu produzieren als mit Erneuerbaren. Die städtische Klimaschutz-Förderrichtlinie hat den Bau von 1070 PV-Anlagen in der Stadt gefördert. Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen auf Bundesebene, ist der Knoten geplatzt, eine kommunale Förderung ist nicht mehr nötig. Das ist nur ein Beispiel. Meine Damen und Herren, trotz dieser eher düsteren Ausblicke stimmen wir dem Haushalt und dem Stellenplan für das Jahr 2024 zu, denn die Erledigung unserer Projekte und Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt drohen nicht wegen einer mangelhaften finanziellen Ausstattung oder einem zu engen Stellenplan zu scheitern, sondern an der praktischen Umsatzbarkeit aufgrund eines gravierenden Fachkräftemangels. Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bürgermeister, der Verwaltung und den Fraktionen der demokratischen Parteien im Stadtrat für die gute Zusammenarbeit bedanken. Im Namen der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wünsche ich Ihren Familien und Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein friedliches Jahr 2024. Bleiben Sie gesund und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit