Haushaltsrede 2021

Rede zum Haushalt der Stadt Salzkotten für das Jahr 2021 gehalten vom Fraktionsvorsitzenden Marc Svensson in der Sitzung des Stadtrates am 14.12.2020.
– es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Gäste und Vertreter der Presse,
das politische Jahr war kurz, aber Dank Kommunalwahl intensiv. Neben dem gesamten öffentlichen Leben, darunter unsere Stadtfeste, ist in der ersten Jahreshälfte auch die Lokalpolitik dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Der Sitzungsbetrieb stand nach wenigen Wochen still und Rat & Ausschüsse haben sich bis kurz vor die Sommerferien ins Homeoffice verabschiedet. Die Klimawerkstatt hat es auch erwischt, aber dazu später mehr.
Dementsprechend fällt die Bilanz der politischen Arbeit für das zu Ende gehende Jahr recht schmal aus. Wir haben im letzten Sommer wieder über den Zustand und die Pflege der Wegränder in der Feldflur beraten und den Beschluss gefasst, Eckpunkte für deren Pflege zu erarbeiten. Grenzüberschreitungen sollen im Rahmen eines runden Tisches ausgeräumt werden. Dass dieses Thema noch lange nicht ausdiskutiert ist, hat sich im Spätsommer gezeigt, als die Wegsäume im ganzen Stadtgebiet fast flächendeckend und zeitgleich gemäht wurden. Damit wurden die Erfolge aus dem Frühjahr, auf welche die Verwaltung zu Recht stolz ist, teilweise wieder zunichte gemacht.
Die Bedeutung der Wegsäume als Lebensraum lässt sich schon anhand ihrer Größe erahnen: Bei 945.000m² Wegsäumen in der Feldflur wirken die städtisch angelegten Blühflächen von vielleicht 35.000m² geradezu bescheiden. Letztlich kommt es aber auf jeden Quadratmeter an. Die Richtung stimmt, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.
Die Einführung einer Baumschutzsatzung wurde diskutiert und zur weiteren Beratung in die Fraktionen und an die Ortsvorsteher verwiesen. Mal sehen was im kommenden Jahr dabei herauskommt.
Ich komme jetzt zum Haushalt.
Ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit war die Verkehrssicherheit: An mehreren Stellen in der Stadt haben wir durch konkrete Vorschläge versucht, die Sicherheit von Fußgänger- und Radfahrer*innen zu verbessern. Herausgekommen sind dabei lediglich weitere Prüfaufträge für die Verwaltung und die Straßenverkehrsbehörde des Kreises Paderborn. Zudem sollen in Scharmede gelbe Füße auf Gehwege gepinselt werden.
Bei der Abwägung zwischen der Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen und der „freien Fahrt für freie Bürger“ ziehen Erstgenannte regelmäßig den Kürzeren. Prävention oder die sogenannte „Vision Zero“, also dass möglichst niemand im Straßenverkehr verletzt werden oder ums Leben kommen soll, spielen bei derartigen Fragestellungen leider kaum eine Rolle. Damit etwas passiert, muss erst etwas passieren. Erst wenn man sich das zweifelhafte Prädikat „Unfallschwerpunkt“ erarbeitet hat, geraten Verwaltungen in Bewegung. Der Minimalismus und die Ideenlosigkeit, die hier vorherrschen und von unserer CDU-Ratsmehrheit mitgetragen werden, sind beschämend.
50.000€ um die Verkehrssicherheit im Bereich unserer Schulen durch bauliche Maßnahmen zu verbessern, hatten keine Aussicht auf eine Mehrheit in den Haushaltsberatungen. Ge-blieben ist die Hoffnung, dass die Verwaltung ihr Versprechen einlöst und im Laufe des nächsten Jahres alle Schulen im Stadtgebiet unter die Lupe nimmt und dass unsere CDU-Kolleg*innen, die im Wahlkampf versprochen haben sich für sichere Schulwege einzusetzen, bald ernst machen.
Bleiben wir beim Verkehr: Das erste Stadtradeln in der Ge-schichte Salzkottens war mit über 1000 Teilnehmenden ein überwältigender Erfolg. Dazu hat mit Sicherheit der große persönliche Einsatz unseres Bürgermeisters beigetragen. Dafür ein herzliches Dankeschön, Herr Berger.
Im September gab es eine weitere Weltpremiere: Salzkotten hatte seine erste, offizielle Fahrraddemo. Mehr als 85 Radler*innen haben für eine bessere Radwegeinfrastruktur demonstriert, in der sich alle Generationen sicher und angstfrei bewegen können.
Vor diesem Hintergrund ist es ein weiteres Mal beschämend, dass sich die Verwaltung außer Stande sieht im nächsten Jahr zumindest damit zu beginnen, einen Teil der 150 Rückmeldungen an Problemstellen – von denen ja viele altbekannt sind- baulich anzugehen. Im Zuge der Haushaltsberatungen wurde schnell klar, dass ein Budget von 5€ pro Einwohner*in oder auch weniger keine Aussicht auf eine Mehrheit hat. Alles vertagt aufs Mobilitätskonzept.
Noch etwas zur Mobilität: Die Pandemie hat dem ÖPNV bekanntlich schwer zugesetzt. Das von allen Fraktionen vor Ort unterstützte 1€-Ticket könnte gepaart mit einem kraftvollen Stadtmarketing hier gegensteuern und die Verkehrswende ein Stück voranbringen. Dass das 1€-Ticket jemals das Licht der Welt erblickt, ist mehr als ungewiss, denn CDU und SPD stehen dem Vorhaben auf Kreisebene ablehnend gegenüber. Ein entsprechender Beschluss in der nph-Verbandsversammlung ist daher unwahrscheinlich. Die 25.000€ bleiben im Haushalt, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich wage mal die Prognose, dass ein Beschluss so lange verzögert wird, bis es aufgrund der Umstellung auf gemeinwirtschaftliche Verkehre ohnehin keinen Sinn mehr macht. Hoffentlich irre ich mich.
Erfreulich ist dagegen, dass auf unseren Antrag hin die Mittel für das Stadtbusmarketing um 5000€ auf 10.000€ aufgestockt wurden. Das Geld ist bitter nötig, denn der nph ist auch im Marketing in den kreisangehörigen Kommunen ein Totalausfall.
Ein weiterer Dauerbrenner ist das Thema Schulsozialarbeit an den städtischen Grundschulen. Im kommenden Jahr wird eine halbe Stelle dazukommen – vorausgesetzt es finden sich geeignete Bewerber*innen. Vor dem Hintergrund, dass die Schulsozialarbeit laut der zuständigen Fachkraft immer mehr nachgefragt wird, Prävention fast nicht stattfinden kann, jedes Jahr 10% mehr Kinder die offenen Ganztagsschulen besuchen, durch das Land finanzierte Stellen schon länger nicht besetzt sind und die anhaltende Pandemie Schüler*innen, Lehrkräften, Eltern und den Sozialarbeiter*innen gewiss sehr viel abverlangt, ist und bleibt das viel zu wenig.
Unsere Forderung, hier anstelle einer halben eine ganze Stelle zusätzlich einzurichten, wurde nur von der SPD unterstützt. Die Diskussion hat wieder entscheidende Unterschiede aufgezeigt, was unter dem Begriff „bedarfsgerecht“ verstanden werden kann. Um es an dieser Stelle kurz zu machen, bemühe ich mal wieder ein Bild mit der Feuerwehr:
Für die CDU ist es bedarfsgerecht, Brände zu löschen wenn sie passieren. Wir dagegen sind für den vorbeugenden Brandschutz mit Brandmeldern und Brandschutzkonzept– damit es im Ernstfall weniger zu löschen und weniger Schäden zu beklagen gibt.
Bevor ich jetzt zum Thema Klimaschutz komme, möchte ich klarstellen, dass es uns hier nicht um Erbsenzählerei geht und wir nicht auf der Suche nach Gründen gewesen sind, um den Haushaltsentwurf abzulehnen – weil man das als Oppositionspartei so macht oder weil wir das -so glaube ich- bisher immer so gemacht haben. Bis genau zu diesem Punkt und obwohl wir mit unseren Forderungen bis hierhin fast komplett gescheitert sind, war eine Zustimmung zum vorliegenden Haushaltsplanentwurf für uns zumindest vorstellbar.
Die Klimawerkstatt konnte aus bekannten Gründen nicht stattfinden, aber auch ohne Corona war bereits im letzten Jahr absehbar, dass konkrete Projekte daraus kaum noch in diesem Jahr umgesetzt werden können und das Klimaschutzbudget von 100.000€ nicht ausgegeben wird. Genauso ist es auch gekommen: Mangelndes Bürger*inneninteresse war sicherlich nicht der Grund, denn an der Klima-Online-Umfrage im Frühjahr haben trotz der grottenschlechten Öffentlichkeitsarbeit 363 Personen teilgenommen – die dreifache Anzahl wie bei allen drei Präsenzveranstaltungen im Rahmen der Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes zusammen. Es gab Vorschläge und Ideen in allen möglichen Handlungsfeldern. Wir als Politik hätten zugreifen und umsetzen können – wenn nicht sogar müssen.
Wir als GRÜNE haben in diesem Jahr 3 Anläufe unternommen, um mit konkreten Maßnahmen den Klimaschutz in unserer Stadt messbar zu machen. Erfolg hatten wir lediglich bei der Einführung einer Photovoltaikpflicht in Gewerbegebieten. Mit Klimaschutzanreizen bei der Vergabe städtischer Bauplätze oder einem Förderprogramm für Photovoltaik oder Passivhäuser konnten wir uns wieder nicht durchsetzen. Die Ablehnung unserer Forderungen wurde seitens der CDU damit begründet, dass Photovoltaikanlagen auch so wirtschaftlich zu betreiben sind und Doppelförderungen nicht nötig seien.
Beides stimmt, aber einerseits hatten wir in den vergangenen 5 Jahren einen Zubau von im Schnitt 1465 kWp pro Jahr und andererseits ist eine Doppelförderung beim Sport beispielsweise die Regel. Übrigens: Wenn wir das angestrebte Effizienzszenario aus unserem Klimaschutzkonzept bis 2025 erreichen wollen, müssen wir ab 2021 jährlich 8400kWp zubauen. Da Aufgeben oder die Simulation von Klimaschutz keine Optionen für uns sind, haben wir im Grunde zwei Möglichkeiten.
1. Wir halten an unserem Ziel fest und versuchen durch geeignete Maßnahmen besser zu werden. Unsere Vorschläge kennen Sie, aber auch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit wie von der FDP vorgeschlagen, eine Art Wettbewerb – wie zuletzt von der CDU zu hören – Warum nicht?
2. Wir gestehen unser Scheitern schnellstmöglich ein und suchen gemeinsam nach neuen Wegen – und das deutlich vor 2025.
Für die städtischen Neubaugebiete werden ab dem kommenden Jahr Klimaschutz-Fachbeiträge erstellt. Dieser Schritt war überfällig, nützt aber nur den jährlich etwa 25 Neubauten auf städtischen Baugrundstücken. Der gesamte Bestand von etwa 2800 Wohngebäuden bleibt außen vor.
So wird das nichts.
Ein Förderprogramm zur Revitalisierung von Schottergärten, wie von der Union vorgeschlagen, ist sicherlich gut gemeint und trägt zur Verbesserung des Mikroklimas in unserer Stadt bei. Aber wie viel Kilogramm CO2 werden denn pro Quadratmeter eingespart oder gebunden? Eben! Das weiß niemand. Außerdem wird damit der mangelhafte Vollzug der Landesbauordnung legitimiert. Das ist gefährlich, denn auch so wird im Kleinen der vielbeschworene Rechtsstaat untergraben. Zudem kann es nicht angehen, dass unsere Gestaltungssatzungen entweder nichts zur Vorgartengestaltung sagen oder Regelungen, wie die Begrenzung einer Versiegelung auf 50% durch den Wunsch nach mehr PKW-Stellplätzen problemlos ausgehebelt werden können. Auch hier warten noch einige Baustellen auf uns.
Liebe CDU, absolute Mehrheiten tragen auch eine große Verantwortung. Wer derartige Forderungen als Klimaschutzmaßnahme deklariert, bagatellisiert und leugnet damit im Ergebnis die Klimakrise. Wir müssen gemeinsam die Folgen unseres Handelns besser abschätzen, lernen zwischen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zu unterscheiden und höllisch aufpassen, dass wir den Klimaschutz nicht irgendwie quer denken.
Die CDU beansprucht gerne eine Art Lufthoheit für sich, wenn es um Wirtschaftsfragen geht. Die gigantischen Schäden der Klimakrise, welche Versicherungen und Wirtschaftsinstitute wie das DIW prognostizieren, interessieren aber offensichtlich nicht. Ohne stärkere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels könnten sich die Kosten der Auswirkungen in Deutschland laut DIW bis zum Jahr 2050 auf insgesamt knapp 800 Milliarden Euro belaufen. Die Modellergebnisse zeigen auch, dass es wichtig ist, frühzeitig in den Klimaschutz einzusteigen, da die Nettokosten höher werden, je später begonnen wird. Das Fazit lautet daher: Die Bekämpfung des Klimawandels kann teuer werden – Nichtstun aber deutlich teurer!
Über kommunale Wertschöpfungseffekte, welche ein energetisches Sanierungsprogramm nach sich ziehen könnte, haben wir hier noch gar nicht gesprochen. Unser Klimaschutzkonzept nennt hier 13.500€ pro durchsaniertes Gebäude.
Im Grunde haben wir hier seit 5 Jahren einen politischen Klimaschutz-Lockdown – ganz ohne Pandemie. Und die Zeit läuft weiter. Zeit ist zum entscheidenden Faktor beim Klimaschutz geworden. Daher ist es auch kontraproduktiv unseren Stadtwald weiter zu plündern, denn es besteht die Gefahr, dass viel zu große Mengen des Holzes verbrannt und damit große Mengen CO2 freigesetzt werden. Wie wir alle wissen verbrennt Holz viel schneller als es wächst. Genau das ist das Problem und dabei will ich es an dieser Stelle gut sein lassen.
Wir Menschen sind erstaunlich schlecht im Vermeiden von Krisen. Wir können uns nicht vorstellen, wie schnell sich die Dinge grundlegend ändern können. Wir schaffen es nicht uns vorzustellen, was exponentielles Wachstum wirklich bedeutet und welche Dynamik hier entstehen kann.
Wirklich wach werden viele erst wenn die Steuereinnahmen wegbrechen oder unsere Krankenhäuser ihre Belastungsgrenzen überschreiten. Dann wird gegengesteuert. Die Effekte zeigen sich Wochen, Monate später.
Anders als bei Corona zeigen sich in der Klimakrise diese Verzögerungseffekte nicht nach Wochen, sondern Jahre oder Jahrzehnte später. Ein Gegensteuern wird nach dem Erreichen bestimmter Kipppunkte nach heutigem Stand nicht mehr möglich sein.
Hat Salzkotten genug Geld, können wir uns das alles leisten? Ja, das könnten wir leicht. Unsere Forderungen für den Haushalt 2021 hatten ein Volumen von rund 400.000€. Unterm Strich also marginal. Sportförderung, Marketing, Kultur, Wirtschaftsförderung lassen wir uns freiwillig Millionen kosten – auch im Krisenjahr 2020 und im kommenden Jahr. Wenn Sie liebe CDU, wie zuletzt in den Haushaltsberatungen, zum Beispiel versuchen Martini gegen Mehrausgaben im Klimaschutz auszuspielen, ist das also absolut deplatziert.
Wenn man sich die Haushaltspläne der letzten Jahre seit Einführung des NKF anschaut, hatten die Ansätze nie viel mit den Ergebnissen zu tun. Nach jetzigem Stand wird auch Corona für 2020 nichts daran ändern. Es mag ein glücklicher Zufall sein, dass die hohen Gewerbesteuerausfälle voraussichtlich fast vollständig durch Nachzahlungen ausgeglichen werden. Dass sich die Ergebnisse aus laufender Verwaltungstätigkeit um Millionenbeträge verbessern, hat dagegen Tradition – wenn auch keine Gute. Denn das ist häufig Geld, was nicht für die Bürger*innen ausgegeben wurde, zum Beispiel weil Stellen nicht besetzt worden sind. Eine schwarze Null scheint 2020 noch drin zu sein.
Vor dem Hintergrund dass unsere Ausgleichsrücklage mit 9,4 Mio. € noch immer ein Rekordhoch ausweist und Fördermittel sprudeln wie nie, besteht aus finanzieller Sicht nicht der geringste Grund zur Panik – im Gegenteil, wir werden das sicher schaffen.
Wir GRÜNE können dem Haushalt für das Jahr 2021 nicht zustimmen.
Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bürgermeister, der Verwaltung und den Fraktionen der demokratischen Parteien im Stadtrat für die gute Zusammenarbeit bedanken. Im Namen der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wünsche ich Ihren Familien und Ihnen trotz der besonderen Umstände ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein besseres Jahr 2021. Bleiben Sie gesund.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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